Ankündigung der Geburt Jesu. Eine Predigt zu Lukas 1,26-38

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Die Predigt des heutigen Sonntags zum Nachlesen:

Das Wunder, das Himmel und Erde auf den Kopf stellt

Da nimmt das Wunder seinen Anfang, das Himmel und Erde auf den Kopf stellt – im Leib einer schwangeren Frau. Menschen können sich von dieser Intimität kein Bild machen. Wie sollen wir uns das ja auch vorstellen – der dreieinige Gott nimmt menschliches Leben an, verleibt es sich selbst ein, um die paradiesische Entfremdung von Gottheit und Menschheit zu überwinden.

An dieser gottlosen Trennung sind die Menschen gescheitert – mit dem eigenen Größenwahn, selbst sein zu wollen wie Gott und einen himmelhohen Turm zu bauen, als könne man von unten, von der Erde aus stockwerkweise doch selbst in den Himmel aufsteigen. Es blieb beim Fehlversuch. Das göttliche Erdwort behält sein Recht über das menschliche Leben: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.“ Ja, Erdbewohner bist du, Erdverweser wirst du, kannst selbst kein Himmelsstürmer sein.

Das Wunder, das Himmel und Erde auf den Kopf stellt, geschieht im Verborgenen und bleibt doch nicht geheim. Eine Stimme meldet sich zu Wort: „Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!“ Maria, fast noch Mädchen, erschrickt, als der Engel Gabriel in ihr Leben tritt. Wie kann sie auch ahnen, was der Gott für ihr Leben vorgesehen hat. In Gedanken ab und an bei ihrem Zukünftigen, aber immer noch unter elterlicher Obhut lebend, da wirkt der Besuch des Engels fast bedrohlich: Was tut er hier, der Fremdbote; er gehört nicht in mein Leben; ein verstörter Gesichtsausdruck fragt sich: „Welch ein Gruß ist das?“

Bevor eine unglaubliche Botschaft ausgesprochen werden kann, sucht der Engel die Angst zu nehmen: „Fürchte dich nicht. Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden.“ Der dreieinige Gott meint es gut mit dir. Es geht um Leben, das Leben eines Kindes, deines Kindes. „Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären.“

Eigenen Kindern das Leben schenken, für viele Frauen und Männer ist dies ein sehnlicher Wunsch. Lebenserfüllung soll es sein; für manche aber bleibt der leibliche Kinderwunsch lebenslang unerfüllt. Ja, es ist nicht einfach Natur, sondern auch Gnade, die in einem neugeborenen Kind mit Händen greifbar wird. Aber Maria scheint diese Gnade wieder zu entgleiten, denn der Engel fährt fort:

„Er wird hochgeehrt sein
und ‘Sohn des Höchsten’ genannt werden.
HERR Gott wird ihm den Thron seines Vorfahren David geben.
Er wird für immer als König herrschen
über die Nachkommen Jakobs.
Seine Herrschaft wird niemals aufhören.“

Wer spinnt solche Lebensfäden, die kein Mensch in der eigenen Hand zu halten weiß?

Eltern haben ja ihre Vorstellungen, was mit den eigenen Kindern geschehen wird. Aber was der Engel sagt, überstiegt jegliche Vorstellung: Der eigenen Sohn wird so groß werden, dass er dem eigenen häuslichen Leben entgleitet, „Sohn des Höchsten“ wird er genannt werden, auf einem Thron sitzend, unnahbar für eine junge Frau. Das Leben des eigenen Sohnes soll ganz von göttlichem Willen bestimmt sein. Maria kann ihn auf Dauer nicht für sich selbst beanspruchen: Als König aus dem Hause Davids wird er das Geschick der Menschheit auf alle Zukunft hin bestimmen. Was für eine Ansage für ein unbedarftes Mädchen weitab in Galiläa im verrufenen Nazaret? Wer spinnt hier solche Lebensfäden, die kein Mensch in der eigenen Hand zu halten weiß?

„Du sollst ihm den Namen Jesus geben.“ Da wird Maria stutzig. Die Namensgebung für einen Neugeborenen ist in der Regel Recht des Vaters, der wiederum einen Namen von Vorfahren in der Benennung weitergibt. Wenn sie nun den Namen zu geben hat, fehlt ja der leibliche Vater. Ein uneheliches Kind, wo kein Vater zugegen ist, muss von der Mutter benannt werden. Ein Sohn gebären, der eben nicht den anvertrauten Ehemann als leiblichen Vater hat – wie wird sie dastehen? Da lastet der Verdacht der Untreue. Diese Schwangerschaft lässt sich niemandem erklären.

Diese Botschaft ist ihr nicht geheuer: Sie will es wissen: „Wie kann das sein, ich schlafe doch noch mit keinem Mann!“ Das kann doch nicht einfach von sich aus geschehen. Nein, in der Tat nicht. Wunder geschehen nicht einfach so:

„Heiliger Geist wird auf dich kommen.
Die Kraft des Höchsten wird dieses Wunder in dir bewirken.
Deshalb wird das Kind, das du erwartest, heilig sein
und ‚Sohn Gottes‘ genannt werden.“

Unbegreiflich – der Schatten des Heiligen Geistes wird über Maria hinweggehen wie die Wolke, in der sich die geheimnisvolle Gegenwart des Gottes verbirgt. Der Ursprung dieses Lebens lässt sich nicht begreifen, er liegt allein bei dem Gott: Jesus, wahrer Mensch, der von Geburt an Sohn Gottes ist. Da verbinden sich Himmel und Erde, göttliches und menschliches Leben in diesem Kind.

Unmöglich möchte man da denken: Der Engel weiß um das ungläubige Staunen. So verweist er auf das, was schon wunderbarerweise geschehen ist:

„Sieh doch:
Auch Elisabet, deine Verwandte,
erwartet einen Sohn trotz ihres hohen Alters.
Jetzt ist sie im sechsten Monat schwanger
und dabei hieß es:
Sie kann keine Kinder bekommen.
Was der Gott sagt, macht er wahr.“

Bei dem Gott ist kein Ding unmöglich

Bei dem Gott ist kein Ding unmöglich. Da kann menschliches Leben einen ungezeugten Anfang nehmen, aber noch vielmehr, da kann der dreieinige Gott das menschliche Leben annehmen, unser Leben mit seinem Leben verbinden, die Trennung von Tod und Sünde überwinden, die Türe öffnen für Menschen, die eben von Geburt an nicht zu ihm gehören.

Zu guter Letzt willigt Maria in die Engelsbotschaft ein:

„Sieh doch:
Ich diene dem Herrn.
Es soll an mir geschehen,
was du gesagt hast.“

Ein Bekenntnis zu dieser Botschaft: Ich bin da mit Leib und Seele, es geschehe mit mir, was meine eigenen Vorstellungen sprengt, es geschehe, was ich in mir selbst nicht begreifen kann und doch spüren werde. Die göttliche Zusage wird mein Leben bestimmen: Mir geschehe, wie du gesagt hast. Maria lässt es mit sich geschehen, dass der Gott menschliches Leben annimmt, indem sein Sohn mit Fleisch und Blut geboren worden ist, mitten unter uns.

So verkörpert Maria für uns den Glauben, der selig macht:

Christus, Sohn Gottes,
mir geschehe, was du mit mir getan hast.
Du hast mein Leben angenommen,
mit meiner Sünde und mit meinem Tod.
Dir gehöre ich im Leben und im Sterben.
Verlass mich nicht.
Amen.

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