Sonntagsbrief an die Gemeinde am 24. Mai 2020

Schwestern und Brüder, ihr die Gemeinde,

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

Seit nunmehr zehn Wochen leben wir mit der Corona-Pandemie, die unseren Alltag tiefgreifend verändert hat. Wohl kein anderes Geschehen nach dem Zweiten Weltkrieg hat so eine starke Auswirkung auf unsere Gesellschaft gezeitigt. Und wir alle wissen ja nicht, was noch kommen wird bzw. welche nachhaltigen Einbußen und Verluste sich daraus ergeben werden. Will man keine Verschwörungstheorie gelten lassen, ist das Corona-Übel nicht willentlich durch Menschen verursacht worden. Da gibt es nun manche Christen, die göttlichen Zorn als Ursache sehen. Weil es weltweit so viel Fehlverhalten und so viele Unsitten gäbe – so ihre Überzeugung –, hätte Gott diese Pandemie als Strafe geschickt. Doch das Wort des HERRN beim Propheten Jeremia spricht eine andere Sprache:

„Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.“ (Jeremia 31,31-34)

An die Stelle eines Strafgerichts über das bundesbrüchige Volk greift der HERR in deren Lebensinnere ein: „Ich will meine Weisung in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.“ Nicht pandemische, das ganze Volk betreffende Abstrafung, sondern Herzensänderung ist sein Ziel. Wo seine Hand durch seinen Sohn Jesus Christus geführt ist, schreibt sich seine Barmherzigkeit in die Herzen der Menschen ein. „Sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.“ So wird die Sünde nicht dem Volk zum Verhängnis.

Und doch stellt sich uns die Frage: Wo ist nun Gott in der Corona-Pandemie zugegen? Ein gängiger Antwortversuch lautet: Gott habe damit ursächlich nichts zu tun. Seine Gegenwart zeige sich vielmehr in dessen solidarischer Anteilnahme am Leiden. Aber ist ein Gott, der selbst mitleidend hinnehmen muss, was seinen Geschöpfen zugefügt wird, derjenige, an dem wir uns vertrauensvoll festmachen können?

In der Bibel findet sich ein anderes Wort, das Gottes Gegenwart im Unheil zur Sprache bringt, nämlich die Heimsuchung. Diese zeigt sich entweder als heilsame, befreiende Zuwendung oder aber als prüfendes bzw. ahnendes Einschreiten. Heimsuchung kommt nicht als Gerichtsstrafe, sondern in der Wahrnehmung von Heimgesuchten zur Geltung. Hier sind wir von Hiob herausgefordert, dem gottfrommen Mann, der mit Hiobsbotschaften seine Familie sowie Hab und Gut verloren und seinen wunden Körper zu erleiden hat.

„Die Pfeile des Allmächtigen stecken in mir; mein Geist muss ihr Gift trinken, und die Schrecknisse Gottes sind auf mich gerichtet“ hält Hiob seinem Freund Elifas entgegen (Hiob 6,4). Die göttliche Aufmerksamkeit lässt Hiob keinen Frieden: „Was ist der Mensch, dass du ihn groß achtest und dich um ihn bekümmerst? Jeden Morgen suchst du ihn heim und prüfst ihn alle Stunden. Warum blickst du nicht einmal von mir weg und lässt mir keinen Atemzug Ruhe?“ (Hiob 7,17-19)

In seiner Klage wider die Heimsuchung des eigenen Lebens sagt sich Hiob von Gott jedoch nicht los. Vielmehr hält sich für ihn Gottes Gegenwart sinnwidrig im Verborgenen durch: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben. Nachdem meine Haut noch so zerschlagen ist, werde ich doch ohne mein Fleisch Gott sehen. Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder.“ (Hiob 19,25-27) So wendet sich am Ende die Heimsuchung in eine überwältigende Begegnung mit Gott, die Hiob dessen Gerechtigkeit über den eigenen Lebenshorizont hinaus finden lässt: „Ich erkenne, dass du Gott alles vermagst, und nichts, das du dir vorgenommen hast, ist dir zu schwer. […] Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen; aber nun hat mein Auge dich gesehen.“ (Hiob 42,2.5)

Menschen, die Gott aus dem Unheil, das ihnen wiederfährt, heraushalten wollen, müssen damit selbst zurechtkommen. Wer jedoch sich Gottes undurchsichtige Gegenwart zutraut, muss seine Hoffnung nicht preisgeben, so wie dies Paul Gerhard in der fünften Strophe von „Befiehl du deine Wege“ (EG 361) gedichtet hat: „Hoff, o du arme Seele, / hoff und sei unverzagt! / Gott wird dich aus der Höhle, / da dich der Kummer plagt, / mit großen Gnaden rücken; / erwarte nur die Zeit, / so wirst du schon erblicken / die Sonn der schönsten Freud.“

So bete ich: Himmlischer Vater, Du unser Gott, Deine Güte reicht so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen. Und doch kommen wir ins Zweifeln, wo uns die Corona-Pandemie heimgesucht hat. Schreibe dein Wort neu in unsere Herzen, stärke unseren Glauben, dass wir uns wiederfinden bei Dir, durch Jesus
Christus. Amen.

Veranstaltungen in unserem Gemeindehaus sowie Treffen unserer Gruppen müssen weiterhin entfallen. Gestern haben wir fünf junge Gemeindeglieder in der Martin-Luther-Kirche konfirmiert. Im Herbst werden weitere Konfirmationen folgen.

Da die Martin-Luther-Kirche nur über 17 Sitzmöglichkeiten mit dem vorgegebenen Zwei-Meter-Abstand verfügt, können wir keine öffentlichen Gottesdienste feiern. Stattdessen werden Gemeindeglieder entsprechend den vorhandenen Sitzmöglichkeiten einzeln oder paarweise persönlich zu Gottesdiensten eingeladen. Gemeindeglieder können sich telefonisch (07306-8255) oder per Email (pfarramt.voehringen@elkb.de) melden und eine Einladung erbitten.

Dieser Sonntagsbrief kann die Woche über unter der Telefonnummer 07306/78 92 95 1 abgehört werden. Auf unserer Webseite finden sich unter der Überschrift „Krone des Lebens“ aktuelle Tagesimpulse. Diese können dort auch abonniert werden.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Es grüßt Euch ganz herzlich

Euer Jochen Teuffel
Evangelischer Pfarrer

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Veröffentlicht in Allgemein, Sonntagsbrief an die Gemeinde.